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15.01.2010

Ophthalmologische Nachrichten Kongressausgabe RWA: Evolution in der Diagnostik und Therapie von Benetzungsstörungen

Regelmäßige Erfassung von Beschwerden ist wichtig

Ophthalmologische_Nachrichten_2010-01.pdf (3,2 MB)

Quelle: Ophthalmologische Nachrichten 01/2010

Neue Erkenntnisse zur Pathophysiologie führen zu neuen Therapieansätzen, durch stetige technische Weiterentwicklung eröffnen sich neue diagnostische Möglichkeiten. Doch das meiste davon bleibt vorerst akademisch, wenig scheint schon jetzt für den praktisch tätigen Augenarzt nutzbar. Trotzdem ist einiges bereits anwendbar und vermag mit einfachen Mitteln den sonst häufig so schwierigen Alltag mit Sicca-Patienten zu erleichtern. 

Dazu sollte man sich zunächst die aktuellen Vorstellungen zur Pathophysiologie vergegenwärtigen: Nach neueren Erkenntnissen handelt es sich bei allen unter dem Begriff „Benetzungsstörungen“ zusammengefassten Erkrankungen um Störungen in der Quantität oder Qualität des Tränenfilms, die zu einer chronischen Entzündung der Augenoberfläche führen. Gemein ist dabei allen Formen, dass sie, auf unterschiedlichen Wegen, zu einer Hyperosmolarität des Tränenfilms führen, welche dann auf immunologischer Ebene eine Entzündungsreaktion der Oberfläche in Gang setzt, die das Bindehaut- und Hornhautepithel schädigt und eine weitere Zunahme der Osmolarität bedingt und damit die sich selbst unterhaltende destruktive Rückkopplungsschleife entstehen lässt. 

Hieraus leiten sich schon die ersten neueren Therapiemaximen ab: Die alte, bisher ungeklärte Frage des „lieber mehr oder weniger“ Tränenersatz ist nach dieser Vorstellung gut zu beantworten. Der vielerorts empfohlene „asketische“ Umgang mit Tränenersatz kann gerade bewirken, dass diese Eigendynamik überhaupt erst entsteht und ist daher skeptisch zu sehen. In diesem Sinne sollte also lieber „ein Tropfen mehr als einer zu wenig“ gegeben werden, um die Osmolarität des Tränenfilms niedrig zu halten und einen Oberflächenschaden gar nicht erst entstehen zu lassen. 

Immunmodulation, Tränenersatz und Lipidsubstitution 

Neuere pharmakologische Ansätze widmen sich der Immunmodulation: Hier scheint neben Corticoiden vor allem niedrig konzentriertes Cyclosporin A (0,05%) erfolgversprechend, da es spezifischer als Cortison in die T-Zell-vermittelte Immunreaktion der Oberfläche eingreift. Besonders bei schwereren Formen der Benetzungsstörungen ist diese Therapie schon jetzt etabliert, ein Einsatz bei leichteren Formen erscheint aber auch vielversprechend und wird gerade erforscht. Im Bereich des Tränenersatzes rücken neben dem altbekannten Schutz der Oberfläche vor einwirkenden Reizen und dem Spüleffekt der Tropfen die Veränderung der Osmolarität und die Osmoprotektion, der Schutz des Epithels vor einem hyperosmolaritätsbedingten Schaden, in den Fokus des Interesses. 

Auch die gezielte Substitution von Lipiden spielt eine zunehmend größere Rolle. Hierzu muss man pathophysiologisch einen Schritt zurückgehen und sich die zwei ursächlich unterschiedlichen Formen von Benetzungsstörungen vor Augen halten, die über verschiedene Wege zum gleichen gemeinsamen Problem, der Hyperosmolarität des Tränenfilms, führen. Man unterscheidet dabei die hypovolämische Form, bei der die Tränensekretionsmenge reduziert ist, von der hyperevaporativen Form, bei der die Hyperosmolarität durch verstärkte Verdunstung des Tränenfilms entsteht. Grund hierfür ist neben einer verminderten Blinzelfrequenz, etwa am PC, und Kontaktlinsen, welche inmitten der drei Schichten des Tränenfilms schwimmen und dadurch den Verbund stören, eine veränderte Zusammensetzung des Tränenfilms, insbesondere ein veränderter Lipidgehalt. 

Diagnostische Klassifikation: Vor allem Einfaches ist bewährt

Trotz aller Neuerungen hat sich zur diagnostischen Klassifikation der Benetzungsstörungen bisher vor allem Einfaches bewährt: Die Messung der Tränensekretion mittels Schirmer- oder Jones-Test, die Tränenfilmaufreißzeit und, nicht zuletzt um das Ausmaß des bisher entstandenen Schadens einschätzen zu können, die Anfärbung der Oberfläche mittels Fluoreszein, Lisamingrün und Bengalrosa, welche alle in Form von Teststreifen zur Verfügung stehen. Bei der Spaltlampenuntersuchung sollte man seine Aufmerksamkeit neben der Betrachtung von Hornhaut, Bindehaut (LIPCOF), Tränenmeniskus und der Beschaffenheit des Tränenfilms vor allem auf die Lidkanten richten. Die chronische Blepharitis ist ein häufiger Grund für eine sekundäre hyperevaporative Benetzungsstörung und erfordert eine spezifische Behandlung. Neben der Lidkantenreinigung, bei schwereren Formen gegebenenfalls auch Antibiose, sollten vor allem ein niedrigvisköser Tränenersatz und ein Lipidersatz erfolgen. Hochvisköse Tropfen und Gels sind hier kontraproduktiv, da sie die von den blepharitisinduzierenden Staphylokokken produzierten Toxine auf der Oberfläche binden, aus gleichem Grund sollten auch keine Punctum Plugs eingesetzt werden! 

Neben all diesen durch wissenschaftlichen Fortschritt bedingten Neuerungen kommt aber auch einem vernachlässigten profanen Mittel, besonders bei schwereren, unbefriedigend einstellbaren Störungen, zunehmend Bedeutung zu: Der Dokumentation und dem Vergleich subjektiver und objektivierbarer Beschwerden bei jeder Routineuntersuchung und der dadurch erst möglichen systematischen Therapie und Therapieumstellung. Hilfreich zur Erfassung subjektiver Beschwerden ist etwa der Ocular Surface Disease Index (OSD), zum systematischen Einsatz von Tränenersatz steht eine in Gruppen eingeteilte Übersicht der wichtigsten in Deutschland erhältlichen Präparate zur Verfügung, welche die Universitätsaugenklinik Erlangen auf ihrer Homepage publiziert hat. Die dort tätige Gruppe um Kruse, Cursiefen, Jacobi et al. erarbeitet derzeit auch einen Index zur Erfassung objektiver Faktoren. Mit Hilfe solcher Mittel zur Therapiestrukturierung lässt sich gerade bei diffizilen Fällen gut bewerten, was, nicht zuletzt auch subjektiv, am meisten Linderung verschafft hat und so System in die sonst häufig willkürliche Therapie bringen.

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